Bundesgerichtshof
BGH: Verurteilung einer Familienrichterin wegen Rechtsbeugung durch Unterlassung.
Eine in Straf- und Familiensachen tätige Richterin des AG Lüdenscheid wurde nun in mehreren Fällen der strafbewehrten Rechtsbeugung überführt und verurteilt. Der BGH hob allerdings das vom LG Hagen verhängte Strafmaß auf, da bei den betreffenden Familiensachen die Rechtsbeugung lediglich durch Unterlassen erfolgte. Die Richterin verbrachte Akten in ihren privaten Keller damit sie diese nicht bearbeiten musste.
OLG Koblenz: 15.000 Euro Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer im Umgangsverfahren
Letztes Jahr hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass für Entschädigungsklagen nach § 198 GVG in Umgangssachen mehr als die pauschale Entschädigung von 1.200 € pro Jahr Verfahrensverzögerung angemessen sein könnte (BGH 06.05.2021 - III ZR 72/20).
Inzwischen hat das verklagte Land (RLP) die geforderte Entschädigung für immaterielle Schäden aus unvertretbar überlanger Verfahrensdauer vollständig anerkannt, und zwar 15.000 € für 37 Monate.
BGH: Kind hat gegenüber Mutter Recht auf Auskunft bezüglich Vaterschaft. Mutter muss Nachforschungen anstellen.
Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass selbst Jahre nach einer Adoption das Kind Auskunft gegenüber seiner leiblichen Mutter verlangen kann. Die Mutter habe die Verpflichtung Nachforschungen zu möglichen Vätern zu betreiben.
BGH: Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer nicht zwingend gesetzlich beschränkt
Im konkreten Fall hatte das Gericht eine Verfahrensverzögerung von 37 Monaten zu verantworten, "so dass die konkreten Auswirkungen der überlangen Verfahrensdauer die Pauschalhöhe als unbillig erscheinen" ließen (lediglich 1.200 € Jahr).
BGH zum Unterhaltsvorschuss: Keine gesteigerte Erwerbsobliegenheit bei weiteren zahlungsfähigen Verwandten gerader Linie
Der Bundesgerichtshof hat festgestellt, dass bei weiteren leistungsfähigen Verwandten gerader Linie (Mutter, Großeltern) dem (angeblich) nicht betreuende Elternteil mehr als nur der sog. notwendigen Selbstbehalts (derzeit 1.160 €) verbleibt, sondern lediglich das Einkommen oberhalb seines sog. angemessenen Selbstbehalts (derzeit 1.400 €) für die Unterhaltsberechnung herangezogen werden kann.
BGH zum Thema private Samenspende: Dem Vater kann ein Umgangsrecht zustehen
Dem Vater eines adoptierten Kindes kann ein Umgangsrecht zustehen, wenn eine Beziehung zum Kind besteht und/oder ernsthaft angestrebt wird. Der Vater hatte über fünf Jahre hinweg regelmäßigen Umgang mit dem Kind, welches in einer lesbischen Lebenspartnerschaft erzogen wurde und von einer Mutter adoptiert wurde. Als der Vater seinen Umgang ausweiten wollte, wurde ihm das nicht nur verweigert, sondern der Umgang vom Paar unterbunden.
BGH: Antrag auf Anhörung des Gutachters ist zwingend zu berücksichtigen
Gerichte meinen zuweilen über Beweisanträge – wie in diesem Fall Anhörung des Gutachters – hinweggehen zu können. Der BGH stellte erneut klar, dass die Anhörung des Gutachters keine Ermessensentscheidung des Gerichtes ist, sondern (falls dieses von einer Partei beantragt wurde) Teil des Grundrechtes auf rechtliches Gehör aus Art.103 Abs. 1 GG ist. Dabei ist insbesondere unerheblich, ob das Gericht selbst Zweifel an einem vorliegenden Gutachten hat.
Die Erde ist eine Scheibe – Der BGH, Dogmen und mangelnde psychologische Kompetenz
Kürzlich lehnte der BGH – teilweise nachvollziehbar – die Anordnung einer Doppelresidenz ab. Ein Elternteil hatte es an Loyalität in der Elternbeziehung mangeln lassen. Der BGH bemängelte indirekt zudem, dass der Gesetzgeber/die Bundesregierung notwendige rechtssystematische Reformen verschleppt und so für Unklarheit bei Gerichten sorgt. Gleichwohl verharrt in – und untermauert – der BGH erschreckenderweise Dogmen, die längst wissenschaftlich widerlegt sind.
BGH Urteil: Für die Betreuung des gemeinsamen Kindes ist grundsätzlich auch der andere Elternteil in Betracht zu ziehen
Der BGH hat [zum Betreuungsunterhalt] entschieden, dass für die Betreuung des gemeinsamen Kindes grundsätzlich auch der andere Elternteil in Betracht zu ziehen ist, wenn er dies ernsthaft und verlässlich anbietet.
BGH: Vollstreckung eines Umgangstitels setzt eine hinreichend bestimmte und konkrete Regelung des Umgangsrechts voraus
Die Vollstreckung eines Umgangstitels nach § 89 Abs. 1 FamFG durch Festsetzung eines Ordnungsmittels gegen den betreuenden Elternteil setzt eine hinreichend bestimmte und konkrete Regelung des Umgangsrechts voraus. Dafür ist eine genaue und erschöpfende Bestimmung über Art, Ort und Zeit des Umgangs erforderlich. Nicht erforderlich sind hingegen detailliert bezeichnete Verpflichtungen des betreuenden Elternteils, etwa zum Bereithalten und Abholen des Kindes.
Die Vollstreckung nach § 89 Abs. 1 FamFG baut auf der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen im Erkenntnisverfahren auf. Eine erneute Prüfung der Rechtmäßigkeit der zu vollstreckenden Entscheidung findet im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich nicht statt.
BGH, Beschluss vom 1. 2. 2012 - XII ZB 188/11; OLG München (Lexetius.com/2012,426)
BGH zu Ordnungsgeld - insbesondere gegen das Jugendamt - und Umgangsverweigerung
Nach § 89 Abs. 4 Satz 1 FamFG unterbleibt die Festsetzung eines Ordnungsmittels, wenn der Verpflichtete Gründe vorträgt, aus denen sich ergibt, dass er die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat. Der Verpflichtete hat die Umstände, die den Grund für das Scheitern der Umgangskontakte darstellen, im Einzelnen darzulegen.
BGH: verminderter Kindesunterhalt bei erweitertem Umgangsrecht XII ZB 234/13
Beschluss v. 12.3.2014 - XII ZB 234/13
1. Nimmt der barunterhaltspflichtige Elternteil ein weit über das übliche Maß hinaus gehendes Umgangsrecht wahr, kann der Barunterhaltsbedarf des Kindes unter Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle bestimmt werden (Fahrtkosten, Unterbringungskosten).
2. Der auf diesem Weg nach den Tabellensätzen der Düsseldorfer Tabelle ermittelte Unterhaltsbedarf kann zusätzlich gemindert werden, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil dem Kind im Zuge seines erweiterten Umgangsrechts anderweitige Leistungen erbringt, mit denen er den Unterhalt des Kindes deckt.
BGH stärkt Umgangsrecht des leiblichen Vaters
Beschluss vom 5. Oktober 2016 - XII ZB 280/15
Der BGH hat entschieden, dass die beharrliche Weigerung der rechtlichen Eltern, einen Umgang ihres Kindes mit seinem leiblichen Vater zuzulassen, allein nicht genügt, um ein Umgangsrecht abzulehnen.
BGH stärkt Kinderrechte: Anordnung von Wechselmodell (Doppelresidenz) auch gegen den Willen eines Elternteils möglich
Der BGH stellt fest, dass das Gesetz das Wechselmodell nicht ausschliesst. Das ist insofern skandalös, als dass dieser Blick in das Gesetzbuch auch den Vorinstanzen möglich gewesen wäre (vgl. z.B. AG Heidelberg 31 F 15/14 und AG Erfurt 36 F 1663/13). Letztlich also erst jetzt festgestellt wird, dass seit Jahrzehnten Kindern das Grundrecht auf Betreuung durch beide Eltern durch Gerichte gesetzwidrig verweigert wird.