In einem ZEIT-Interview hat der Psychologe Stefan Rücker, Leiter der vom Bundesfamilienministerium beauftragten umfangreichen Studie „Kindeswohl und Umgangsrecht“, zur aktuellen Reformdiskussion des Sorge- und Umgangsrechts Stellung genommen.
Grundsätzlich negativ zu sehen ist, daß die Studie noch immer nicht veröffentlicht wurde, was nicht zu einer ausgewogenen öffentlichen Diskussion beiträgt. Unser Antrag auf Auskunft des Ministeriums ergab, dass dort bisher nur erste Entwurfsteile der Studie eingegangen seien (Stand 25.10.2019). Dies läge daran, dass der Studienleiter leider vor kurzem nach schwerer Krankheit verstorben sei (siehe entsprechende Pressemitteilung vom 26.08.2019). Das ist natürlich tragisch und wir möchten an dieser Stelle den Angehörigen und Kollegen unser Beileid aussprechen.
Zurecht betont Rücker, daß die Debatte um die Betreuungsmodelle zu sehr aufgeladen ist. Da hat er Recht. Das geht soweit, dass das Familienministerium keine Auskunft über den dort zuständigen Ansprechpartner gibt: "Es besteht der begründete Verdacht, dass die persönliche Sicherheit der zuständigen Ansprechperson gefährdet wäre, wenn ihr Name nach außen bekannt gegeben würde." Herr Rücker stellt fest, dass das Wohl der Kinder nicht vom Betreuungsmodell abhängt.
Die von Rücker dargestellte Möglichkeit, das Sorgerecht zu erhalten, ist zwar existent. In der Realität der Rechts- und Verwaltungspraxis ist sie aber auch im Jahre 2019 immer noch mit unzulässig vielen versteckten Hürden versehen. Verdrängten Elternteilen wird es oft schwer gemacht Eltern zu sein. Rücker betont, wenn auch ohne Nennung von Details, daß es im Normalfall ausreichenden (es sei hier ergänzt: und hürdenfreien) Kontakt beider Elternteile zum Kind geben müsse.
Dabei gilt es zu beachten, daß das Sorgerecht zwar hilfreich sein kann, für die entscheidende Eltern-Kind-Bindung aber ein ausreichendes, gesichertes Umgangsrecht Voraussetzung ist. Der Umgang würde jedoch oft motiviert durch Rachegefühle oder Ängste zwischen den Eltern eingeschränkt. Hier plädiert Rücker für eine wirksame Pflichtberatung der Trennungseltern. Allerdings betont er auch sehr den Schulungsbedarf von Gerichten.
Auch zum Thema Unterhalt für Kinder oder Partner/in nach der Trennung mahnt Rücker eine Neuregelung an, die die Betreuungsleistung berücksichtigt. Finanzielle Motive dürften die Ermöglichung und Stabilisierung beider Elter-Kind-Bindungen nicht blockieren.
Das gesamte Interview findet man unter:
Die Expertengruppe des Bundesjustizministeriums hat parallel ein 50-Punkte-Thesenpapier als Empfehlung für die Reform des Familienrechts erarbeitet; zu finden unter:
https://www.bmjv.de/SharedDocs/Artikel/DE/2019/102919_AG_SorgeUndUmgangsrecht.html